Unweit des Weinhaus Huth, in dem sie vor drei Jahren in einer literarischen Text- und Klanginstallation das Phänomen der Stille thematisierte, hat Christina Kubisch ihre jüngste Arbeit im Untergrund des Potsdamer Platzes eingerichtet. Die Tiefgarage der Park Kolonnaden wurde der Pionierin der Klangkunst zum spektakulären Tableau für ihre Installation "Klang Fluß Licht Quelle". Als architektonisches Ausgangsmaterial nutzte Kubisch die Doppelreihe von quaderförmigen, etwa 40 mal 100 cm mächtigen Betonsäulen, die in der niedrigen Halle eine über 200 m lange Flucht bilden. Jede der Säulen umwickelte sie spiralförmig in exakt parallelen Linien mit fluoreszierenden Kabeln, die von hinter Sichtblenden an der Decke montierten Schwarzlichtröhren beleuchtet werden.
Der langgestreckte Raum wird einzig durch die grün schimmernden Drähte erhellt, das diffuse Schwarzlicht verschleiert seine Ränder und trübt die gewohnte Orientierung beträchtlich. Die Licht-Quellen, auf die der Titel anspielt, bleiben zudem verborgen, einzig die metallischen Sichtblenden werden als schlichte Kapitelle zum architektonischen Element. Ebenso versteckt erscheint zunächst der Klang-Fluß. Es bedarf eines speziellen Induktionskopfhörers, um ihn zu verfolgen. Erst mit solch einem drahtlosen Empfänger ausgestattet, wird der Besucher gewahr, daß jeder Säule ein Wasserklang zugeordnet ist. Auf introduktives Flußrauschen folgen unterschiedliche Gerade von Plätschern und Blubbern, Murmeln und Prasseln. Manche Rauschklänge heben diskrete Resonanzfrequenzen hervor, andere etablieren rhythmische Strukturen oder kurze, aus Tropfen gebildete melodische Floskeln.
In Kubischs Œuvre bedeutet "Klang Fluß Licht Quelle" eine neue Stufe in der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Kunst und Natur. Früher hatte die Künstlerin Bäume mit Klangkabeln umwickelt und ihre technische Einrichtung in natürliche Zusammenhänge getragen, hier nun erscheinen Naturklänge in der extrem künstlichen Umgebung einer Tiefgarage. Früher hatte die Umwindung verschiedenster Objekte mit Kabeln floralen oder vegetativen Charakter gehabt, diesmal herrscht eine geometrische Strenge, die an Gemälde von Frank Stella erinnert. Daß diese Gegensätzlichkeit bis in die Raumwahrnehmung reicht, macht diese Arbeit zu einem Schlüsselwerk der Klangkunst. Durch den Kopfhörer und das Schwarzlicht von dem realen Raum akustisch wie visuell isoliert, orientiert sich der Besucher an den allein durch ihre Klanglichkeit repräsentierten Kunsträumen der Wasserklänge. Diese sind jedoch durchaus nicht einheitlich. Ihr Hall differiert, die Charakteristika ihrer Frequenzabstrahlung sind verschieden. So wechselt man beim Umhergehen nicht nur den Klang, sondern auch den Raum. Dem aufmerksamen Hörer entlarvt sich also gerade das, was in der unwirklichen Umgebung Natur verheißen soll, als künstlich und inszeniert. Kontinuität sichern allein die die reale Architektur des Flußbetts aufhebenden parallelen Kabellinien. Und der Traum von einem Klangfluß jenseits seiner technischen Repräsentation.
Volker Straebel 4.99