"What I hope is that the Europeans will become more American."(1)

Gegenseitige Einflüsse von Europa und Nordamerika in der Geschichte der Musikperformance

1. Zum Problem des Begriffs Musikperformance
2. von Europa nach Nordamerika
2.1. Theater der Totalität und Happening: vom Bauhaus nach Black Mountain
2.2. The New Theatre
2.3. Cages Audio-Visual Compositions bis 1960
3. von New York nach Köln
3.1. Nam Jun Paik und die Kölner Avantgarde
3.2. Karlheinz Stockhausens Musikalisches Theater
4. Musikperformance: Zeit, Klang, Instrument





1. Zum Problem des Begriffs Musikperformance

"Was diese Methode, allem Himmlischen und Irdischen, allen natürlichen und geistigen Gestalten die paar Bestimmungen des allgemeinen Schemas aufzukleben und auf diese Weise alles einzurangieren, ist nichts geringeres als ein sonnenklarer Bericht über den Organismus des Universums, nämlich eine Tabelle, die einem Skelette mit angeklebten Zettelchen oder der Reihe verschlossener Büchsen mit angehefteten Etiketten in einer Gewürzkrämerbude gleicht, die so deutlich als das eine und das andre ist, und die, wie dort von den Knochen Fleisch und Blut weggenommen, hier aber die eben auch nicht lebendige Sache in den Büchsen verborgen ist, auch das lebendige Wesen der Sache weggelassen oder verborgen hat."(2)

Hegels vehementer Kritik am wissenschaftlichen Formalismus muß jeder sich stellen, der bei der Betrachtung (musik-)geschichtlicher Entwicklungen die phänomenale Beschreibung zur begrifflichen Reflexion hin zu überschreiten sucht. Im Fall gegenseitigen Einflüsse von Europa und Nordamerika in der Geschichte der Musikperformance kommt erschwerend hinzu, daß das gleiche Phänomen in beiden Kulturen vor dem Hintergrund differierender Modelle beschrieben wird. Es gilt also, bei dem Versuch, die Geschichte nachzuzeichnen, stets nach den jeweiligen "Büchsen in der Gewürzkrämerbude" zu fragen, um zu verstehen, wo sich Gegenstand und wo sich Kategorien der beiden Beschreibungsformen unterscheiden.

Der Begriff Musikperformance, im Sprachgebrauch von Künstlern wie Theoretikern fest verankert, findet sich weder in den gängigen Musiklexika noch in den wichtigsten Musikbibliographien.(3) Es soll hier keine Definition versucht werden, doch ist offensichtlich, daß das Kompositum Musikperformance den musikalischen Aspekt dessen, was mit dem Lehnwort performance bezeichnet ist, betont. Performance meint allgemein Aufführung(4), Performing Arts sind jene Künste, die einer Aufführung bedürfen (Musik, Tanz, Theater). Zur Musikperformance gibt es kein direktes englisches Äquivalent ("music performance"), statt dessen hat sich der Begriff Performance Art etabliert. Dieser legt jedoch den Schwerpunkt auf das theatralische Moment einer Performance.(5)

Der jeder Musikaufführung innewohnende visuelle Aspekt(6) wurde im Laufe der Musikgeschichte unterschiedlich interpretiert. In der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts hatte beispielsweise Igor Strawinsky die Vorstellung einer gestischen Musik entwickelt, die es ablehnte, den Klang von seiner Produktion zu trennen.(7) (In heutigem Sprachgebrauch würde man vielleicht sagen, daß er den Performance-Charakter der Aufführung betonte.) Diese Haltung schlägt in ihr Extrem um, wenn die Betrachtung der Aufführung, etwa in der Beobachtung ungewöhnlicher Spieltechniken, das akustische Resultat in den Hintergrund drängt. Virgil Thomson beschrieb in dieser Weise seine Eindrücke von einer Aufführung von John Cages Concert for Piano und Orchestra (1958): "Der Anblick von David Tudor, an den Pedalen seines Flügels herumkriechend um von unten an den Resonanzboden zu klopfen, war ebenfalls unterhaltend zu beobachten, auch wenn das Klopfen nicht laut genug war, um lustig zu sein. Diese visuelle Show fügte dem Ganzen so viel hinzu, daß als ich, wiederum für Studenten, die Aufnahme dieses Stückes spielte (sie war im Konzertsaal bei Cages 25jährigen Jubiläumskonzert gemacht worden), wir alle enttäuscht waren. Ich denke, es ist ein schwacher und inkonsequenter Klang."(8)

Bemerkenswert ist, daß Thomson schreibt, die "visuelle Show" habe der Komposition etwas hinzugefügt. Sie wäre demnach nicht Teil oder Gegenstand der Komposition, die nur die akustischen Ereignisse organisiert. Diese Unterscheidung von Intention und Rezeption bei Musikperformance wird später noch zu betrachten sein.

Anmerkungen     Inhalt

2. von Europa nach Nordamerika

Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Musikperformance gab es zwei Phasen der gegenseitigen Beeinflussung von Europa und Nordamerika: in den dreißiger Jahren flohen viele dem Bauhaus verbundene Künstler vor der Herrschaft der Nationalsozialisten in die USA. Ihre Lehrtätigkeit dort beeinflußte die junge Künstlergeneration in Nordamerika, und John Cage nahm auf unterschiedlichem Wege europäische Theatertheorien auf. In den sechziger Jahren gab es umgekehrt einen starken Einfluß amerikanischer Fluxuskünstler auf die europäische Avantgarde.

2.1. Theater der Totalität und Happening:
vom Bauhaus nach Black Mountain

Seit den zehner Jahren hatte die Bauhausbühne verschiedenen Künstlern Möglichkeit zur Arbeit im Bereich des avantgardistischen Theaters geboten. Oskar Schlemmers Triadisches Ballett wurde 1915 erstmals aufgeführt und Wassily Kandinsky entwickelte seine Farbopern und die abstrakte Bühnenkompositionen Bilder einer Ausstellung nach dem gleichnamigen Klavierzyklus von Modest Mussorgsky.(9) Von einer von ihm als Bauhaus-Happening bezeichneten spontanen Improvisation in den zwanziger Jahren berichtet der Bauhaus-Schüler Xanti Schawinsky:

"Jemand stellte sich als Napoleon Bonaparte vor und sprach einen anderen als Frau von Stein an. Im Nu waren die beiden in einen Dialog verwickelt - abseits vor einer kahlen Wand bewegten sie sich tänzerisch im Lichtkegel einer Lampe. Einige Requisiten und Kleidungsstücke spielten mit, die Rollen zu unterstützen und dem Leitfaden der Improvisation Illusion zu verleihen. Waterloo, Sonntagshüte, Börsenkurse und Heiratsanträge kamen zur Sprache. Ein Hund bellte dazwischen, dargestellt von einem Dritten. Beim Kuß - wie sie zu verstehen gibt, der erste - biß er der Dame ins Bein. Ohnmacht. Napoleon schwenkte ein amerikanisches Fähnchen, auf der umgefallenen Dame stehend und mit dem Hund ein Bell-Duett vollführend, Vorhang."(10)

Die theoretischen Entwürfe der Lehrer, wie etwa László Moholy-Nagys, postulierten ein Theater der Totalität, das, von der Erfahrung von Futurismus und Dadaismus ausgehend, einerseits die Grenze zwischen Bühne und Zuschauer aufhebt, andererseits Ereignisse in verschiedenen Medien zu einem theatralischen Ganzen zu verbinden sucht. In dieses fügen sich auch musikalische Aspekte ein: Die "Tongestaltung" sollte sich "in Zukunft der verschiedenen Schallapparte mit elektrischem und anderem mechanischen Betrieb bedienen. An unerwarteten Stellen auftretende Schallwellen - z.B. eine sprechende oder singende Bogenlampe, unter den Sitzplätzen oder unter dem Theaterboden ertönende Lautsprecher, Schallverstärker - werden u.a. das akustische Überraschungsniveau des Publikums [...] heben."(11)

Bedeutend für die Geschichte des Begriffs Musikperformance ist, daß Moholy-Nagy die Großform des Theaters der Totalität in Kategorien beschrieb, die auch für die Musikperformance Gültigkeit behalten sollten. "Gliederung [und] Mechanisierung" der zeitlichen Struktur, Unterteilung des Geschehens in "Aktionsmomente" und Entwurf der "Gesamtbühnenaktion" als "ein großer, dynamisch-rhythmischer Gestaltungsvorgang"(12) sind neben dem klanglichen Aspekt für die Musikperformance zentral.

Nach seiner Emigartion leitete Xanti Schawinsky in den Jahren 1937 und 1938 die Bühnenklasse des Black Mountain Colleges. Seine erste Aufführung, Spectodrama: Play, Life, Illusion, verband 1937 "symphonische Interaktion und Wirkung; Farbe und Form, Bewegung und Licht, Klang und Word, Geste und Musik"(13). Eine weitere Produktion im Frühjahr 1938 verwendete Kurt Schwitters Ursonate. Abweichend von seinen theatralischen Improvisationen im Bauhaus waren diese Aufführungen sorgfältig geplant und geprobt.(14)

Ob John Cage bei der Arbeit an seinem Untitled Black Mountain Piece (1952) von Schawinskys Aufführungen gewußt hat, ist nicht bekannt. Der Einfluß von Moholy-Nagy, der ihn 1941 eingeladen hatte, an der Chicago School of Design einen Kurs in Experimenteller Musik zu geben(15), darf ebenso angenommen werden wie der des Dadaismus(16). Belegt ist jedenfalls Cages Beschäftigung mit Antonin Artauds in Das Theater und sein Doubel (1938) niedergelegtem Theaterkonzept: Während des Sommersemesters 1952 laß Mary Caroline Richards im Black Mountain College aus ihrer Übersetzung vor, und John Cage, David Tudor und Merce Cunningham reagierten enthusiastisch. Sie verstanden Artauds Konzept jedoch "eher als eine Bestätigung ihrer damaligen Vorstellungen, als einen Katalysator, um fortzusetzen, was sie bereits taten."(17)

Wie vor ihm Moholy-Nagy beschrieb Artaud die Großform seines Theaters der Grausamkeit mit musikalischen Begriffen: Der "physische Rhythmus der Bewegungen, deren crescendo und decrescendo genau dem Puls jedermann bekannten Bewegungen folgen werden"(18) ist ebenso erwähnt wie die Forderung der Entwicklung neuer Musikinstrumente, die neben Klängen auch Geräusche erzeugen und als "Objekte und Teile des Bühnenaufbaus" zu behandelt sein.(19) Schließlich soll die Grenze zwischen Zuschauer und Schauspiel aufgehoben werden, indem jener "in der Mitte des Geschehens" plaziert wird.(20)

Dem folgte Cage bei der Raumorganisation seines Untitled Black Mountain Piece. Im Speisesaal des Black Mountain College wurden die Sitzplätze in einem von zwei Diagonalen geteilten Quadrat so angeordnet, so daß die Zuschauer sich gegenübersaßen. Als Frau Jalowetz, die als erste kam, Cage nach dem besten Platz fragte, antwortete dieser, alle seien gleich gut.(21) Denn die Aufführung fand sowohl in den Diagonalen zwischen den Zuschauern, als auch außerhalb dieses Quadrates statt.

Das Geschehen, in dem Olson und Mary Caroline Richards ihre Gedichte lasen, Robert Rauschenberg, der über dem Publikum seine weißen Gemälde installiert hatte, auf einem alten Grammophon Unterhaltungsmusik der zwanziger und dreißiger Jahre spielte, John Cage einen 45 minütigen mit vielen Pausen durchsetzten Vortrag hielt, David Tudor Klavier spielte und Merce Cunningham tanzte, während Tim La Farge und Nick Cernovich Filme und Dias projizierten, folgte einem globalen Zeitraster, das jedem Akteur den Zeitpunkt des Beginns und Endes seines Handels vorschrieb, ihm sonst aber völlige Freiheit ließ.(22) Von dieser mit Zufallsmethoden erstellten Partitur(23) ist (zur Zeit) nur eine Seite bekannt (Cages Hand, unsigniert)(24):

Projector:

Beginn at 16 min.
Play freely until 23 min.

Beginn again at 24:30
Play freely until 35:45

Beginn at 38:20
Play freely until 44:25

Anmerkungen     Inhalt

2.2. The New Theatre

Das Untitled Black Mountain Piece wurde in den Vereinigten Staaten nicht als Musikperformance, sondern in Begriffen des Neuen Theaters interpretiert. Cage galt hier bald als das "Rückgrat des Neuen Theaters"(25) und seine Black Mountain Arbeit "als das wahrscheinlich erste 'Happening' in Amerika"(26).

Michael Kirby beschrieb diese Nähe von Theater- und Musik-Aufführung, wobei der den Ritualcharakter der letzteren betonte. Von dem Genuß, eine traditionelle Musikaufführung zu betrachten, sei es nur ein kleiner Schritt zur Neugier an neuen Instrumenten und Spieltechniken: "Wie der Klang hervorgebracht wird, wird ein bedeutsamer Teil der Erfahrung der Qualität des Klanges selbst."(27) Doch die entscheidende Differenz zum herkömmlichen Theater liege darin, daß der Musiker nicht etwas darstelle. Seine Aufführung sei non-matrixed, das heißt, der Akteur bewegt sich nicht in der theatralischen Matrix des wer (Charakter) und wo (Ort). So läßt sich schließlich ein Happening (das Wort wurde dem Titel 18 Happenings in 6 Parts (1959) von Allan Kaprow entlehnt) definieren als "eine Aufführung, die eine Vielzahl von Materialien (Filme, Tanz, Lesungen, Musik, u.s.w.) in einer Struktur von Abschnitten verwendet und hauptsächlich non-matrixed ist."(28)

Durchgesetzt hat sich der von Richard Kostelanetz in The Theatre of Mixed Means (1968) entworfene Formalismus zur Beschreibung von Aufführung des Neuen Theaters. Er kennt keine Kategorie, die das akustische Geschehen besonders berücksichtigen würde, und eine (als musikalisch zu bezeichnende) feste Zeitstruktur sieht er nur in der staged performance gegeben, die dem traditionellen Theater ähnelt, allerdings nicht das Medium des gesprochenen Wortes in den Vordergrund stellt:(29)




GENRE SPACE TIME ACTION
Pure Happening Open Variable Variable
Staged Happening Closed Variable Variable
Staged Performance Closed Fixed Fixed
Kinetic Environment Closed Variabke Fixed




Die Konzerte von John Cage sind laut Kostelanetz zumeist staged happenings.(30) Wahrscheinlich von Aufführungen aus Cages Variations Zyklus ausgehend, unterstreicht er damit den fest definierten und vom Zuschauer getrennten (Bühnen-)Raum, in dem das Geschehen stattfindet, und die Variabilität der einzelnen Aktionen, die von Aufführung zu Aufführung ganz verschieden sein können. Kompositionen, deren Aufführung nicht auch immer eine Realisation ist, müßten hingegen in diesem Schema wohl als staged performances bezeichnet werden.(31)

Es ist hier nicht Raum genug, den Wandel in Cages eigenem Denken zur Unterscheidung von Theater und Musik genau nachzuzeichnen. In den fünfziger und sechziger Jahren faßte er seinen Theaterbegriff sehr weit ("Theater findet immer statt, gleich, wo man sich aufhält"(32)) und wandte ihn selbst auf traditionelle Symphoniekonzerte an.(33) Später grenzte er jedoch ein: "Wenn wir Musik machen, machen wir lediglich etwas, das zu hören natürlicher ist, als es zu sehen oder zu berühren."(34)

Cages Theaterbegriff macht es fast unmöglich, seine ausdrücklich als Musikperformance angelegten Kompositionen (audio-visual, s.u.) von denen zu trennen, deren Aufführung starken Performance-Charakter hat. Im Extremfall, folgt man Virgil Thomsons eingangs zitierter Beschreibung einer Aufführung des Concert for Piano and Orchestra, sind dieses alle Kompositionen für präparierte Instrumente oder für Instrumente "mit Zusatzinstrumenten"(35). In den fünfziger Jahren ist jedoch eine Veränderung in den Besetzungsangaben von Cages Kompositionen zu beobachten, die zwischen intendierter und nur als solcher rezipierter Musikperformance zu unterscheiden helfen mag: Seit den sechziger Jahren benennt er bei seinen Audio-Visual Compositions den Instrumentalisten und nicht das Instrument. War Variations I (1958) noch für "beliebige Art und Anzahl von Instrumenten" gesetzt, so trägt Variations II (1961) die Angabe "für eine beliebige Anzahl von Spielern mit beliebigen Schallquellen"(36).

Anmerkungen     Inhalt

2.3. Cages Audio-Visual Compositions bis 1960

Der 1962 von seinem Verleger herausgegebene Werkkatalog listet unter der Kategorie Audio-Visual vier Werke auf(37): Musik Walk (1958), Theatre Piece (1960), Water Musik (1952) und Water Walk (1959). Sounds of Venice (1959), eine Variante des Water Walk, wurde offensichtlich übergangen (vielleicht, weil die Partitur nicht gedruckt vorlag - dies ist bis heute der Fall); außerdem lassen sich Gründe anführen, die folgenden Kompositionen in diese Liste aufzunehmen: 4'33" (1952, der Instrumentalist spielt nicht sein Instrument), 45' for a Speaker (1954, der Sprecher führt auch visuelle Aktionen aus), Concert for Piano and Orchestra (1957-58, Stimme für den Dirigenten) und Fontana Mix (1958, "für Tonband oder beliebige Art und Anzahl von Ausführenden").

2.3.1. Water Music (1952)

Das wohl erste von John Cage als Musikperformance intendierte Werk, "Water Music für einen Pianisten, der außerdem ein Radio, Pfeifen, Wasserbehälter, ein Kartenspiel, einen hölzernen Stock und Objekte zur Präperation eines Klavieres benutzt", bezeichnete er später als seine "unmittelbare Reaktion" auf das Untitled Black Mountain Piece,(38) obwohl es einige Monate vor diesem entstanden war.(39) Die Partitur ist ein großes Plakat, auf dem - für das Publikum sichtbar - die einzelnen Ereignisse mit genauen Zeitangaben notiert oder beschrieben sind. Dabei ist die graphische Anordnung zur verstreichenden Zeit proportional. Abgesehen von der Verwendung des Radios (Zeitpunkt des An- und Ausschaltens, Lautstärke, Empfangsfrequenz), sind die Ereignisse vorhersehbar.

2.3.2. Music Walk (1958)

Die unbestimmte Partitur von "Music Walk für 1 oder mehr Pianisten, die außerdem Radios spielen und durch Singen oder auf andere Weise zusätzliche Klänge erzeugen" besteht aus mehreren Transparenten mit Linien und Punkten, die nach bestimmten Regeln dazu benutzt werden, freie Ereignisse in verschiedenen Parametern festzulegen. Wichtige Elemente sind die Zeitstruktur und die verschiedenen Orte, an die sich die Aufführenden auf oder hinter der Bühne begeben.

2.3.3. Water Walk (1959)

Cage verwendete die unbestimmte Partitur von Fontana Mix (1958), um die Liste von 49 in Zeit und Ort festgelegten Ereignissen auszuarbeiten, die die Partitur darstellt.(40) Das dreiminütige Stück "Water Walk für einen Fernsehsolisten [for solo television performer]" verwendet von 0'10" bis 2'58" ein Zuspielband (mono) mit Geräuschen von klappernden Behältern, fließendem, tropfendem und gegossenem Wasser, sowie einer (unverständlichen) Männerstimme. Außerdem kommen u.a. ein offener Flügel mit gehobenen Dämpfern, der mit Hilfe eines Spielzeugfisches gespielt wird, Wasserdampf, ein Eis-Mixer, fünf transportable Radios minderer Qualität und eine Konfetti-Bombe zum Einsatz.

"Sounds of Venice. Fernsehaufführung für einen Solisten, der unter anderem 4 Tonbandgeräte bedient" (1959) stellt ist eine Variante des Water Walk dar. Eine andere Ereignisfolge wird begleiten von vier Tonbändern (mono) mit 1.: Glockengeläut, Hundebellen, Vogelgezwitscher, Wasser (am Hafen?), 2.: Schritten, Motorengeräusch (auf einem Schiff?), Uhrticken, 3.: italienischen Volksliedern (?, auf der Straße gesungen?), Bigband-Musik (40er Jahre?), 4.: Schiffssirenen, Orgelspiel, Windgeräusch und Holzknarren.(41)

2.3.4. Theatre Piece (1960)

Das "Theatre Piece für 1-8 Ausführende" ist ebenfalls eine Ausarbeitung von Fontana Mix. Jeder Aufführende legt seine Aktionen selbst fest, deren Erscheinen durch eine ihrerseits mittels eines Transparentes zu interpretierende Partitur bestimmt wird. In dem Begleittext merkt Cage an: "Jeder Aufführende ist, wer er ist (z.B. aufführender Musiker, Tänzer, Sänger), aber er führt ebenso ein Stück theatralischer Musik auf. Musik ist hier verstanden als Absicht, Klang hervorzubringen. Daher wird die Entscheidung eines Performers, was er tun wird, oftmals davon bestimmt sein, ob er damit einen Klang erzeugt."(42)

2.3.5. zur Begrifflichkeit (I)

Diese Folge der Audio-Visual Compositions John Cages aus den fünfziger Jahren spiegelt nicht nur die Erweiterung seines Musikbegriffes wider, sondern auch die Entwicklung von der Verwendung der I Ching-Zufallsoperationen seit Music of Changes (1951) in Water Music (1952)(43) hin zum Konzept der Unbestimmtheit in Music Walk (1958) und den Fontana Mix-Ausarbeitungen seit 1958. Die Öffnung des musikalischen Raumes zum theatralischen hin korrespondierte mit der Bewegung von der determinierenden zur unbestimmten Partitur.

Dieses wäre in den Begriffen des Neuen Theaters zu fassen als der Weg von der staged performance zum staged happening. Damit wird deutlich, daß dieser Formalismus sich nicht, wie es zunächst erscheinen mochte, auf visuelle Phänomene beschränkt, sondern auch genuin musikalische Verhältnisse - so das von Partitur und Aufführung - zu beschreiben vermag.

Anmerkungen     Inhalt

3. von New York nach Köln

Viele der später mit Fluxus assoziierten Künstler besuchten im Sommer 1958 John Cages Kurs Komposition Experimenteller Musik an der New School for Social Research, New York City. George Brecht und Jackson Mac Low stellten ihre jüngsten Arbeiten vor, und Al Hansen, Dick Higgens, Allan Kaprow und Toshi Ichijanagi waren feste Studenten.(44) Nach dem Ende von Cages Lehrtätigkeit an der New School konzentrierten sich die Aktivitäten der Fluxus-Künstler 1961 in den lockeren Performace-Reihen in Yoko Onos Studio und der Galerie von George Maciunas. 1963 gaben Jackson Mac Low und La Monte Young An Anthology heraus, in der neben Texten amerikanischer Fluxus-Künstler auch Beiträge aus Europa erschienen, wie von Nam Jun Paik und Emmet Williams. Diese Kontakte hatte Dick Higgens geknüpfte, von Earle Brown mit Adressen versehen.(45) Von April 1962 bis September 1963 bereiste schließlich George Maciunas Europa und trat u.a. mit Joseph Beuys und Wolfgang Vostell in Fluxus-Konzerten auf.(46)

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3.1. Nam Jun Paik und die Kölner Avantgarde

Fünf Jahre zuvor hatte Nam Jun Paik, der gerade sein Kompositionsstudium bei Wolfgang Fortner abgeschlossen hatte, einer Aufführung des Music Walk durch John Cage, Cornelius Cardew und David Tudor beigewohnt.(47) Die 1959 in der Düsseldorfer Kunsthalle gezeigte Ausstellung Dada - Dokumente einer Bewegung bestärkte ihn weiter in seiner Suchen nach neuen Aufführungsformen von Musik. Im gleichen Jahr gab er schließlich seine erste Musikperformance: Hommage an John Cage, eine sechsminütige "elektronische Musik für drei Tonbandmaschinen und eine zu zerschlagende Glasscheibe"(48).

In dieser Zeit entwickelte sich sas Kölner Atelier der Bildenden Künstlerin Mary Bauermeister, der späteren Lebensgefährtin von Karlheinz Stockhausen, zu einem Treffpunkt der Kölner Avantgarde. In Konzertreihen wurden Kompositionen von George Brecht und La Monte Young aufgeführt und Künstler aus Amerika waren oft zu Gast. Hier schnitt Nam Jun Paik am 6. Oktober 1960 Cages Krawatte ab und begann dessen Kleidung zu zerstückeln. Schließlich verließ er den Raum, das Publikum verwirrt zurücklassend, um bald danach Mary Bauermeister am Telephon mitzuteilen, daß seine Performance vorüber sei.(49)

Die Konzentration auf das Visuelle und Theatralische bei diesen Performances führte Paik von der Musikperformance zur Performance Art und später zu seinen bekannten Videoskulpturen. Doch schon in Bezug auf die Arbeiten der sechziger Jahre äußerte sich Cage distanzierend: "man würde sagen, ich sah es, nicht ich hörte es."(50)

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3.2. Karlheinz Stockhausens Musikalisches Theater

Die Beschäftigung Karlheinz Stockhausens mit den neuen Ideen der Musikperformance vollzog sich parallel zu seiner Arbeit an genau determinierten Kompositionen, die den Aufführungsraum als musikalischen Parameter seriell zu organisieren versuchten. 1958 in Darmstadt mit dem Werk John Cages konfrontiert, reagierte mit einem Vortrag zur musikalischen Graphik. Er beschrieb Cages Aufführungen als Musikperformances und - die Form der Notation reflektierend - weniger als theatralisches denn als musiktheoretisches Phänomen:

"Die verselbständigte Graphik, anschaulich auch für den Nichtmusiker, schafft zwar ein Abbild der Klangvorgänge, nimmt sich als solches aber wieder zurück, indem es vieldeutig wird und mehr die Verknüpfungsgesetze als die determinierte Realisation symbolisiert. Dafür wird die Aktion selbst zum Vehikel des Klanges; Hören und Sehen fallen zusammen, gehörte Vorgänge werden als unmittelbare Folge der agierten verstanden. Hier liegen die Ansatzpunkte zum wirklichen musikalischen Theater, zum Kunst-Theater (analog zur Kunst-Graphik), das nichts außerhalb sich selbst bedeutet. Die gehörte Musik (die ich zugleich sehe) wird durch die musikalische Aktion mit der gelesenen Musik (bei der ich 'sehe' und zugleich innerlich höre) verknüpft."(51)

Doch auch Überlegungen zum Formproblem der eigenen Kompositionen ließen Stockhausen neue Aufführungsformen konzipieren. Die "Kontakte für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug" (1959-60) analysierte er in Hinblick auf die Formelemente Moment, Momentgruppe und Prozeß, um schließlich die offene Form für Kompositionen zu entwerfen, "die immer schon angefangen haben und sich immer weiter fortsetzen könnten."(52)

3.2.1. Originale (1961)

Vor diesem Hintergrund erscheind der Bruch, den Stockhausen 1961, die Einflüsse aus Amerika aufnehmend, mit der Komposition der "Originale. Musikalisches Theater" in seinem Schaffen vollzog, weniger überraschend. Das Stück ist als Werk Nr. 12 2/3 den Kontakten zugeordnet, die auch im Laufe der Performance - mit Unterbrechungen und Wiederholungen einzelner Abschnitte - vollständig zur Aufführung gelangen. Die Verbalpartitur der Originale legt 18 in sieben Strukturen organisierte Szenen fest, deren zeitlicher Verlauf genau fixiert ist, die aber in bestimmten Grenzen in ihrer Abfolge vertauscht werden können. Die Formkonzeption mit "selbständigen Momenten, verbunden nach Maßgabe von Intensität, Dauer, Dichte, Erneuerungsgrad, Wirkungsreichweite, Gleichzeitigkeit, Reihenfolge"(53) korrespondiert mit der der Kontakte. Aber auch auf der Materialebene gibt es Parallelen zwischen dem Sprechen der Akteure und den elektronischen Klängen, die Stockhausen in seinen Skizzen mit Verben der Lautäußerung charakterisiert hatte ("reden; schwätzen; flüstern; raunen; murmeln; rufen; schreien"(54)).

Die Originale mischen Elemente der matrixed und non-matrixed performance. Musiker, Dirigent, Regisseur, Tontechniker und Beleuchter stellen nicht dar, sondern führen ihre üblichen Aufgaben aus. Hingegen ist die Modedame ein mit einer Schauspielerin zu besetzender Charakter. In der Partitur sind die "Malerin Bauermeister", der "Dichter Helms" und der "Kameramann Ramsbott" als Charakter und Person bestimmt, hingegen wird der im Programmzettel als "Aktionsmusiker"(55) bezeichnete Nam Jun Paik schlicht mit "Paik" identifiziert.

Die hohe Bedeutung der Dauernstruktur, der "Zeitkomposition"(56) Stockhausens, unterscheidet die Originale von amerikanischen Happenings.(57) Während die Theoretiker des Neuen Theaters Cages Performances als Theater beschrieben, organisierte Stockhausen theatralische Ereignisse in explizit musikalischer Struktur (Regieanweisung Dirigent):

"Ständig Dichte, Einsatzabstände, Dauern, Intensitäten, Gruppenlängen variieren. Bis ca. 36'30" polyphon; von 36'30" - 37'45" homophon mit vielen Pausen (teilweise sehr lang) - ‚Blockstruktur' -; von 37'45" bis 39' polyphone Gruppen, homophone Blöcke und Punkte (Einzelwerte, Einzelklänge, kurze Lichter) gemischt; von 39' - 41' punktuelle, immer tranparenter werdende Struktur, ab und zu gemischt mit kontinuierlichem Gemurmel, Geflüster."(58)

Als Originale 1964 unter Alan Kaprows Leitung in New York aufgeführt wurde,(59) kam es zur Spaltung der dortigen Fluxus-Bewegung. Henry Flynt organisierte als Leiter des Bureau For Action Against Imperialistic Culture (A.A.I.C.) eine Demonstration vor der Judson Hall, dem Aufführungsort, für den 8. September. Er warf Stockhausen und der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Die Reihe vor, dekorative Elemente des westdeutschen Kapitals zu sein. Schlimmer noch war seine Anklage, daß Stockhausen 1958 auf einer Konferenz in Harvard den Jazz abgewertet habe. Paik und Higgens nahmen an der Aufführung teil, derweil Flynt, Maciunas und andere ihr fern blieben.(60)

3.2.2. Alphabet für Liège (1972)

Die Einrichtung von "13 Musikalischen Bildern für Solisten und Duos" in den Kellerräumen des Belgischen Rundfunks unter dem Titel Alphabet für Liège am 23. September 1972 ist der bisherige Endpunkt in der Serie von Stockhausens "Konzert-Installationen" oder "Wandelkonzerten".(61) Ähnlich der Situation in amerikanischen Enviroments(62) ist der Besucher frei, sich in dem vorgegebenen Aktionsbereich zu bewegen und zu verweilen. Jedem der 13 durch einen Gang miteinander verbundenen Räumen ist eine "Situation" zugeordnet, die mit Ausnahme der konventionell notierten Indianer-Lieder verbal beschrieben ist. Zumeist handelt es sich um Texte Intuitiver Musik ("Situation 10: Mit Tönen Gedanken zurückschlagen und entfernt halten."(63)) oder um Vorschläge für physikalisch inspirierte Klanginstallationen ("Situation 2: Tonschwingungen in Flüssigkeiten, Lichtstrahlen, Flammen sichtbar machen [...]"(64)).

Doch in Alphabet für Liège ist nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit komponiert. Ein Spielleiter ist aufgefordert, für die vierstündige Aufführung einen globalen Zeitplan zu entwickeln, der u.a. für alle Akteure verbindliche Generalpausen völliger Stille und Bewegungslosigkeit vorsieht.(65) So wird dieses musikalische Enviroment einer Zeitstruktur unterworfen, die es als Musikperformance erscheinen läßt.

3.2.3. Herbstmusik (1974)

Die Partitur von Stockhausens "Herbstmusik für 4 Spieler" beschreibt eine Musikperformance in vier Sätzen, 1. Ein Dach vernageln (Duo mit Begleitung), 2. Holz brechen (Quartett), 3. Dreschen (Trio), 4. Laub und Regen (Duo). Im letzten Satz mündet eine Pantomime in ein traditionell notiertes Duo von Klarinette und Viola, die Aktionen der übrigen Sätze sind verbal beschrieben (etwa die rhythmische Improvisation des Brechens unterschiedlich starker Reiser im 2. Satz) und folgen keinem vorgegebenen Zeitraster.

Der Komposition ist vorgeworfen worden, sie sei nicht für die Aufführung im Konzertsaal geeignet und stünde eher in der Tradition der Hörbilder im Radio der zwanziger Jahre.(66) Stockhausens Entscheidung, die Form des Enviroments zu verlassen und die Scheune, in der die Herbstmusik entstand,(67) mit der Bühne zu vertauschen, mag bereits hindeuten auf seine spätere Konzentration auf das traditionellere Musiktheater.

3.2.4. zur Begrifflichkeit (II)

Während John Cage nach der Erweiterung seines Musikbegriffs auch theatralische Situationen komponieren konnte, legte Karlheinz Stockhausen in seinen Werken mit theatralischer Komponente stets den Schwerpunkt auf das Musikalische. Die Originale nannte er musikalisches Theater, musikalische Bilder die Situationen des Alphabet für Liège. Zwar lassen sich diese Arbeiten mit Begriffen des Neuen Theaters als staged performance oder kinetic environment beschreiben, doch faßt dieser Formalismus nicht ihre primär musikalische Perspektive. Andererseits fehlt dem Alphabet für Liège der für die Musikperformance wichtige Aufführungscharakter, den Stockhausen durch die Präsentation der Herbstmusik im Konzertsaal wieder betonte.

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4. Musikperformance: Zeit, Klang, Instrument

Der eingangs für die Musikperformance geforderte musikalische Charakter einer Performance kann nicht nur auf den bisher beschriebenen Ebenen der zeitlichen Struktur und des hervorgebrachten Klanges erreicht werden. Auch imaginierte Klänge und die Verwendung von traditionellen Instrumenten in neuer Form b.z.w. von Gegenständen als Instrumenten im Rahmen einer Aufführung erfüllen die Bedingungen der Musikperformance.

Ein Beispiel für imaginierte Klänge bietet die Action Music for Piano, Book I (1962) des Amerikaners Alvin Lucier. Die Seite "s" gibt dem Pianisten in graphischer Notation ungefähr Tonhöhe und Rhythmus, sowie Dynamik und Fingersatz an, wobei die Spielanweisung vorschreibt: "Die ganze Seite wird gespielt in Bewegungen von 2-30 cm über der Tastatur; ohne Klang"(68), was auch für das "imaginäre Pizzicato" im Innern des Flügels gilt.

Zwei-Mann-Orchester (1971-73) von Mauricio Kagel, der seit den fünfziger Jahren in Deutschland lebt, verwendet eine Maschinerie von frei wählbaren "Blas-, Streich-, Zupf- und Schlaginstrumenten gewöhnlicher Art"(69), die jedoch von den zwei Aufführenden über Fäden, Drehstangen, u.s.w. fernbedient werden.(70) Komponiert sind melodische und rhythmische Modelle sowie Körperbewegungen, so daß das klangliche Ereignis zum Teil durch die Choreographie der Musiker bestimmt ist.

Schließlich behandelt Kagel unterschiedlichste Gegenstände als Instrument in seiner "Acustica für experimentelle Klangerzeuger und Lautsprecher" (1968-70). Die "musikalischen und halbszenischen Handlungen der Mitwirkenden"(71), wie das Aufblasen und anschließende Spielen eines Luftballons, sind musikalisch notiert, graphisch illustriert und in Texten beschrieben.

In jüngerer Zeit scheinen sich die Phänomene der mit Musikperformance oder Performance Art bezeichneten Arbeiten von Künstlern in Nordamerika und Europa nicht wesentlich zu unterscheiden. Weiter verschieden sind die Formalismen ihrer Beschreibung. Eine neuere Unterscheidung wäre die von Performance und Klanginstallation einerseits, andererseits die Trennung von Autoren, die sich eher als Bildende Künstler verstehen, von Komponisten. Während diese ihre Arbeiten in der Regel weiter notieren - Alvin Luciers Verbalpartituren erreichen oft poetische Qualität - widersetzen sich jene oft der Trennung von Autor und Interpret und sehen den Schwerpunkt ihrer Arbeit in der tatsächlichen Aufführung, die später nur dokumentiert wird.

Diese eher kunsttheoretische Trennung ließe sich mit einem veränderten Gebrauch der Begriffe Musikperformance und Performance Art gut beschreiben. Dem müßte jedoch die Rezeption des Begriffes Musikperformance in Amerika vorausgehen.

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leicht verändert unter dem Titel "...that the Europeans will become more American." Gegenseitige Einflüsse von Europa und Nordamerika in der Geschichte der Musikperformance in: Das Innere Ohr. Festivalbuch Linz 1995 (Sondernummer Ton), hrsg.v. Thomas Dészy und Christian Utz


© Volker Straebel kein Abdruck ohne schriftliche Genehmigung des Autors / no reprint without author's written permission



Anmerkungen

  1. John Cage in einem Interview mit Roger Reynolds, Ann Arbor, Dezember 1961. In: John Cage. Henmar Press, Inc. [Verlagskatalog, hrsg. v. Robert Dunn]. New York 1962. S. 45-52, hier S. 52
  2. Gottfried Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes [=Sämtliche Werke Bd. 2, "Jubiläumsausgabe"], Leipzig 1937, S. 43
  3. Im Falle der Lexika mag das zum Teil an ihrem Erscheinungsdatum oder mit der in den Auflagen der 50er Jahre begründeten Tradition liegen. Auffällig jedoch ist, daß die Stichwortverzeichnisse der Bibliographie des Musikschrifttums, hrsg. v. Staatlichen Institut für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, bis in die 80er und des Zeitschriftendienstes Musik, hrsg. v. Deutschen Bibliotheksinstitut, bis in die 90er Jahre die Musikperformance nicht kennen.
  4. Zur Entstehung des Begriffes Performance teilt die Performance-Künstlerin Ulrike Rosenbach mit: "Das Wort ist entstanden nach einer der ersten 'Performances' von Vito Acconci, so geht jedenfalls der Mythos, bei der er Leute in New York zu einer 'Performance' einlud. Er hatte Stuhlreihen in einen Raum gestellt in denen das Publikum erwartungsvoll saß. Nachdem er die Leute gehörig warten gelassen hatte, kam er herein und las einen Brief vor, den er an dem Tag erhalten hatte. Dies war eine 'Performance'. Genau. Denn das ist ein sehr allgemeines Wort. Es heißt eigentlich nichts anderes als 'Vorführung' x-beliebiger Art und die vom Künstler gebrauchte Bezeichnung war hier als Ironisierung gemeint. Ironisierung des 'Auftretens', sich Präsentierens und Repräsentierens." (Ulrike Rosenbach: Videokunst, Foto, Aktion/Performance, Feministische Kunst. Frankfurt am Main 1982. S. 38)
  5. Die neueren Wörterbücher beschreiben Performance Art als "a theatrical presentation" oder "a form of theatrical art"; bei der Aufzählung verschiedener dabei möglicherweise kombinierter Künste kann die Musik ganz fehlen (Collins English Dictionary and Thesaurus. Glasgow 1993 und The Chambers Dictionary. Edinburgh 1993, b.z.w. The American Heritage Dictionary of the English Language. Boston, New York, London 1992).
  6. Dem Blick des Zuhörers verborgene Musiker (im Orchestergraben, versteckte Chöre, Organisten, Turmbläser u.s.w.) folgen ebenfalls einer theatralischen Intention.
  7. "Ich habe immer einen Abscheu davor gehabt, Musik mit geschlossenen Augen zu hören, also ohne daß das Auge aktiv teilnimmt. Wenn man Musik in ihrem vollen Umfange begreifen will, ist es notwendig, auch die Gesten und Bewegungen des menschlichen Körpers zu sehen, durch sie hervorgebracht wird." (Igor Strawinsky: Erinnerungen. Übertragung ins Deutsche von Richard Tüngel. Zürich und Berlin 1937. S. 93) Das Zitat bezieht sich auf die Komposition der Geschichte vom Soldaten 1917/18.
  8. Virgil Thomson: American Music since 1910. New York, Chicago, San Francisco 1972. S. 77. Übers., wie, wenn nicht anders angegeben, alle folgenden vs
  9. Die Farbopern kamen jedoch zu Lebzeiten Kandinskys nicht zur Aufführung. Vgl. Ulrike-Maria Eller-Rüter: Kandinsky. Bühnenkompositionen und Dichtung als Realisation seines Synthese-Konzepts [=Studien zur Kunstgeschichte Bd. 57]. Hildesheim, Zürich, New York 1990. S. 65f. u. 141
  10. Xanti Schawinsky: Vom Bauhaus-Happening zum Spectrodrama. In: Das Kunstwerk. Eine Zeitschrift über alle Gebiete der Bildenden Kunst. Vol. 19, 1966, Jan., S. 24-28, hier S. 24
  11. László Moholy-Nagy: Theater, Zirkus, Varieté. In: Die Bühne im Bauhaus [=Bauhausbücher Bd. 4]. München 1925. S. 45-56, hier S. 53. Hervorhebung im Original
  12. ibd. S. 53, 55, 52
  13. X. Schawinsky zit. n. Martin Duberman: Black Mountain. An Experiment in Cumminity. New York 1972. S. 98
  14. Mary Emma Harris: The Arts at Black Mountain College. Cambridge und London 1987. S. 40
  15. A John Cage Reader. In Celebration of his 70th Birthday. New York 1982. S. 185
  16. 1970 erinnerte sich Cage in einem Interview, 1952 in einem gerade erschienenen Buch Kurt Schwitters Beschreibungen des Dada-Theaters gelesen zu haben (John Cage: For the Birds. John Cage in Conversation with Daniel Charles [=Pour les oiseaux. English]. Boston und London 1989. S. 164f.). Es kann sich nur um die von Robert Motherwell herausgegebene Sammlung The Dada Painters and Poets: An Anthology. New York 1951 handeln (bibliographische Recherche). Die Stelle, auf die Cage anspielte, sei hier wiedergegeben:
    "[Schwitters berichtet, daß Theo van Doesburg 1922 die führenden Dadaisten zu einem Kongreß nach Holland eingeladen hatte.] Since I didn't know a word of Dutch, we had agreed that I should demonstrate Dadaism as soon as he took a drink of water. Van Doesburg drank and I, sitting in the middle of the audience, to whom I was unknown, suddenly began to bark furiously. The barking netted a second evening in Haarlem; as a matter of fact it was sold out, because everyone was curious to see van Doesburg take a drink of water and then hear me suddenly and unexpected bark. At van Doesburg's suggestion, I neglected to bark on this occasion." (Kurt Schwitters: Theo van Doesburg and Dada (1931). In: The Dada Painters and Poets a.a.O. S. 275-276, hier S. 275)
  17. Mary Caroline Richards in einem Interview mit William Fetterman, 13.4.1989, Kimberton, PA zit. n. William Fetterman: John Cage's Theatre Pieces. Notations and Performances. Diss. New York University, 1992. Ann Arbor, Mich. 1992 S. 76. Ob Cage Artauds Buch bereits vor seinem Aufenthalt in Black Mountain 1952 gekannt hat, ist nicht sicher. William Fetterman teilt mit, Cage habe es zusammen mit Boulez' 2. Klaviersonate 1949 aus Paris mitgebracht (Fetterman a.a.O., S. 76), Mary Harris zufolge war es jedoch David Tudor, der 1952 in Black Mountain ein Typoskript des Buches bei sich hatte, das er sich angefertigt hatte, um es als Vorbereitung auf die Aufführung der 2. Klaviersonate von Boulez zu studieren (Harris a.a.O., S. 228).
  18. Antonin Artaud: The Theater and Ist Double. Übers. v. Mary Caroline Richards. New York 1958. S. 93
  19. ibd. S. 95
  20. ibd. S. 96
  21. Duberman a.a.O., S. 351
  22. Die Rekonstruktion des Geschehens ist problematisch, da verschiedene Zuschauer zum Teil sehr unterschiedliche oder widersprüchliche Erinnerungen mitteilten. So divergieren bsplw. die Angaben über die Dauer der Aufführung zwischen 45 min. und mehreren Stunden. Dieses ist diskutiert in Duberman a.a.O., S. 351-358, vgl. auch Harris a.a.O., S. 228.
  23. Cage: For the Birds, a.a.O. S. 165
  24. John Cage Trust, "Black Mountain Piece". Reproduktion mit freundlicher Genehmigung des John Cage Trust, New York
  25. Michael Kirby: The New Theatre. In: Tulane Drama Review vol. 10, 1965, iss. 2, S. 23-43, hier S. 24
  26. Richard Kostelanetz: The Theatre of Mixed Means. An Introduction to Happenings, Kinetic Enviroments, and other Mixed-Means Performances. New York 1968. S. 29
  27. Kirby a.a.O., S. 25
  28. ibd. S. 29
  29. Kostelanetz a.a.O., S. 7, wie auch Tabelle
  30. ibd. S. 7
  31. Die unbestimmten Partituren der Variations, von Fontana Mix oder dem Theatre Piece können nicht einfach aufgeführt werden, da sie keine umzusetzenden Ereignisse vorgeben. Jede Aufführung setzt eine Realisation voraus, eine mit den Mitteln der Originalpartitur erstellte Aufführungspartitur. Deren Aufführung kann jedoch - streng genommen - eine staged performance sein. Aufführungen von Kompositionen, deren Partituren feste Ereignisabläufe vorgeben, sind ohnehin staged performances.
  32. John Cage: 45' for a Speaker (1954). In: Ders.: Silence. Lectures and Writings. Hanover 1961. S. 146-192, hier S. 174
  33. "[Frage: Ist ein Konzert eine theatralische Aktivität?] Ja, selbst ein konventionelles Stück, das von einem konventionellen Symphonieorchester gespielt wird: der Hornist, zum Beispiel, entleert von Zeit zu Zeit sein Horn vom Speichel. Und dies erregt regelmäßig meine Aufmerksamkeit stärker als die Melodien, Harmonien u.s.w." (John Cage: Interview. [=Michael Kirby and Richard Schechner: An Interview with John Cage] In: Tulane Drama Review vol. 10, 1965, iss. 2, S. 50-72. Hier S. 50)
  34. John Cage: Composition in Retrospective (1981-1988). Cambridge 1993. S. 22. Ende eines Mesostichons über "Unbestimmtheit".
  35. z.B. TV Köln für Klavier, ad. lib. mit Zusatzinstrumenten (1958);
  36. Im Unterschied zu Music for Carillon No. 4 aus dem gleichen Jahr mit "elektronisches Glockenspiel mit einer Begleitung [...]". Leider versäumt es William Fetterman in seiner Dissertation zu John Cage's Theatre Pieces (Fetterman a.a.O.) die Auswahl der von ihm untersuchten Kompositionen zu begründen.
  37. John Cage. Henmar Press, Inc., a.a.O. S. 41-43
  38. Cage: Interview [Kirby, Schechner], a.a.O. S. 60
  39. Erste Aufführungen von Water Music durch David Tudor: New School for Social Research, New York City, 2.5.1952, Titel 66 W. 12; Black Mountain College, Black Mountain, N.C., 12.8.1952, Titel Aug. 12, 1952 (John Cage. Henmar Press, Inc., a.a.O. S. 43)
  40. "Ich machte eine Liste von Dingen, die mit Wasser zu tun hatten und theatralisch wären, und unterwarf dies alles dem Zufall und komponierte es. Einige dieser Dinge, die auf der Liste waren, erschienen nicht und einige erschienen. Ich tat das immer." (John Cage in einem Interview mit William Fetterman, 12.5.1988, New York. Zit. n. Fetterman a.a.O. S. 95)
  41. grobe Höranalyse
  42. John Cage: Theatre Piece (1960). Spielanweisung
  43. John Cage: Notes on Composition II. In: John Cage, Writer. Hrsg. v. Richard Kostelanetz. New York 1993. S. 51-62, hier S. 53
  44. vgl. John Cage. Anthology. Hrsg. v. Richard Kostelanetz, S. 118-124
  45. Charles Dreyfus: From History of Fluxus. In: Flash Art / Heute Kunst Okt./Nov. 1978, S. 25-29, hier S. S. 26
  46. ibd. S. 27
  47. 14.10.1958, Galerie 22, Düsseldorf (John Cage. Henmar Press, Inc., a.a.O. S. 42)
  48. 13.11.1958, Galerie 22, Düsseldorf (Dreyfus a.a.O. S. 27)
  49. Dreyfus, a.a.O. S. 27, Cage: For the Birds, a.a.O. S. 167f.
  50. John Cage: More on Paik (1982). In: John Cage, Writer, a.a.O. S. 153-157, hier S. 156
  51. Karlheinz Stockhausen: Musik und Graphik (1959). In: Ders.: Texte. Bd. 1. Köln 1964. S. 176-188, hier S. 185
  52. Karlheinz Stockhausen: Momentform. Neue Zusammenhänge zwischen Aufführungsdauer, Werkdauer und Moment (1960). In: Ders.: Texte. Bd. 1. Köln 1964. S. 189-210, hier S. 205. Stockhausen entwarf hier eine später als Klanginstallation bezeichnete Aufführungssituation.
  53. Programmzettel der Kölner Aufführungen 26.10.-6.11.1961. Zit. n. Vorwort der Partitur Originale. Musikalisches Theater. (1961) Textbuch. Wien 1966
  54. Karlheinz Stockhausen: Kontakte, Werk Nr. 12. Skizzen-Kopien. Ringbücher I bis III. Kürten 1983. Bd. I, Abschnitt 3, S. 3
  55. Programmzettel der Kölner Aufführungen 26.10.-6.11.1961, a.a.O.
  56. Stockhausen: Originale, a.a.O. Fußnote 2 zu Seite 8
  57. Vgl. auch Jill Johnston: Inside 'Originale'. In: The Village Voice, 1.10.1964. Allerdings werden auch Cages Untitled Black Mountain Piece und Claes Oldenburgs Autobodys (in: Happenings. Hrsg. v. Michael Kirby. New York 1965. S. 262-271) als Happenings bezeichnet, obwohl sie einem festen Zeitraster folgen.
  58. Stockhausen: Originale a.a.O. Regieanweisung Szene 10, Dirigent
  59. Die Rolle des Aktionsmusikers übernahm wieder Nam Jun Paik, die des Dirigenten diesmal Alvin Lucier, die der Dichter Allan Ginsberg und Jackson Mac Low. Mac Low teilte mit, daß Lucier für die Dauer der Performance von Paik das feste Zeitschema verlassen hat (Mitteilung an vs, New York, 20.12.1994), woran sich Lucier jedoch nicht erinnern kann. Dieser erinnert hingegen, daß Allan Ginsberg seine Performance ungestört von anderen Aktivitäten geben wollte (telephonische Mitteilung an vs, 21.12.1994).
  60. Dreyfus a.a.O. S. 29
  61. Zuvor komponierte Stockhausen Ensemble (1967), Musik für ein Haus (1968), Musik für die Beethovenhalle (1969) und Sternklang (1971), bei denen verschiedene Ensemble in unterschiedlichen Räumen oder an unterschiedlichen Orten simultan musizieren.
  62. vgl. Eat von Allan Kaprow (1965), in dem ebenfalls räumlich organisiert verschiedene Akteure Tätigkeiten ausführen (Michael Kirgy: Allan Kaprow's Eat. In: Tulane Drama Review vol. 10, 1965, iss. 2, S. 44-49)
  63. Karlheinz Stockhausen: Alphabet für Liège. In: Ders.: Texte. Bd. 4. Köln 1978. S. 193-199, hier S. 194
  64. ibd. S. 193
  65. Das System der Generalpausen korrespondiert mit der Szene der Originale, in der die Akteure für zwei Minuten still verharren und das Publikum betrachten (Stockhausen: Originale a.a.O. S. 9).
  66. Michael Kurtz: Stockhausen. Eine Biographie. Kassel 1988. S. 264; Robin Maconie: The Works of Karlheinz Stockhausen. 2. Aufl. Oxford 1990. S. 239ff.
  67. Kurtz a.a.O. S. 263f.
  68. Alvin Lucier: Action Music for Piano, Book I. Don Mills (Canada) 1967. Spielanweisung
  69. Mauricio Kagel: Zwei-Mann-Orchester. Wien o.J. Spielanweisung S. III
  70. Die Beschreibung dieser Musikmaschine erinnert an Jean Tinguelys "Hommage to New York. Selbstaufbauendes - selbstzerstörendes Kunstwerk", für die er am 17.3.1960 im Skulpturengarten des Museum of Modern Art, New York eine 7 m lange und 8 m hohe Maschine aus "80 Fahrrad-, Dreirad- und Wagonräder, einem Klavier, einigen Metalltrommeln, einer Adressiermaschine, einem Kinderwagen, einer emaliierten Badewanne, einem meteorolgischen Versuchsballon und einer Menge Flaschen" aufbaute, die sich angetrieben von 15 Motoren selbst zerstörte. (John Canaday: Machine Tries to Die for Ist Art. Device Saws, Melts and Beats Itself at Museum. In: New York Times. 18.3.1960)
  71. Mauricio Kagel: Acustica für experimentelle Klangerzeuger und Lautsprecher. Wien o.J. Spielanweisung

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